Beschlusszwang für bauliche Veränderungen

Wohnungseigentumsrecht

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in einem Urteil vom 17. März 2023 (V ZR 140/22) entschieden, dass Wohnungseigentümer für bauliche Veränderungen am Gemeinschaftseigentum, die nicht in der Gemeinschaftsordnung vorgesehen sind, einen Beschluss der Eigentümergemeinschaft benötigen. Im konkreten Fall ging es um den Bau eines Swimmingpools durch die Beklagten gegen den Willen einer anderen Eigentümerin, wobei das Berufungsgericht der Unterlassungsklage der Klägerin stattgegeben hatte.

Der BGH bestätigte, dass jede bauliche Veränderung, die über die ordnungsmäßige Erhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums hinausgeht, eines Beschlusses bedarf, selbst wenn kein Wohnungseigentümer in rechtlich relevanter Weise beeinträchtigt wird. Dies dient der Information aller Wohnungseigentümer über Veränderungen und der Rechtssicherheit. Der Bau eines Swimmingpools stellt eine solche bauliche Veränderung dar und fällt nicht unter Reparaturen oder Instandhaltungen, die möglicherweise durch ein Sondernutzungsrecht gedeckt wären.

Der BGH führte weiter aus, dass ein eventueller Anspruch auf Gestattung der baulichen Veränderung gemäß § 20 Abs. 3 WEG dem Unterlassungsanspruch nicht entgegengehalten werden kann, selbst wenn kein anderer Wohnungseigentümer beeinträchtigt wird. Die Gestattung muss durch einen Beschluss erfolgen, und es ist Aufgabe des bauwilligen Wohnungseigentümers, diesen Beschluss notfalls durch eine Beschlussersetzungsklage herbeizuführen. Ein Beginn der Baumaßnahme ohne diesen Beschluss verletzt die Rechte der anderen Wohnungseigentümer, die dann einen Unterlassungsanspruch haben.

Der BGH wies die Revision der Beklagten zurück und bestätigte das Urteil des Berufungsgerichts, welches der Klägerin sowohl den Unterlassungsanspruch als auch Ansprüche auf Erstattung außergerichtlicher Rechtsverfolgungskosten zuerkannte. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Urteil des BGH vom 17. März 2023 – V ZR 140/22

Tatbestand:

Die Parteien bilden eine Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (GdWE). Die Anlage besteht aus zwei Doppelhaushälften. Nach der Gemeinschafts-ordnung von 1971 bestimmt sich das Verhältnis der Wohnungseigentümer untereinander nach dem Gesetz, wobei die Grundstücksnutzung ausschließlich auf den an das jeweilige Sondereigentum anschließenden Teil des Grundstücks beschränkt wird. Gemäß einer späteren Ergänzung der Gemeinschafts-ordnung sind die Wohnungseigentümer insoweit für Reparaturen und Instandhaltungen allein verantwortlich und kostenpflichtig. Die Beklagten beabsichtigen gegen den Willen der Klägerin den Bau eines Swimmingpools in der von ihnen genutzten Hälfte des Gartens.

Nach Baubeginn erwirkte die Klägerin zunächst einen Baustopp im Wege der einstweiligen Verfügung. Ihre im November 2020 erhobene Klage auf Unterlassung und Erstattung außergerichtlicher Rechtsverfolgungskosten hat vor dem Amtsgericht Erfolg gehabt. Das Landgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Dagegen wenden sich die Beklagten mit der von dem Landgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt.

Entscheidungsgründe:

I.

Nach Auffassung des Berufungsgerichts steht der Klägerin ein Anspruch auf Unterlassung der beabsichtigten baulichen Veränderung des Gemeinschaftseigentums nach § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB schon deshalb zu, weil es an einem gestattenden Beschluss gemäß § 20 Abs. 1 WEG fehlt. Das Beschlusserfordernis sei weder in der Gemeinschaftsordnung nebst Ergänzung noch durch konkludentes Verhalten der Wohnungseigentümer abbedungen worden. Vielmehr werde (nur) die auf die jeweils an das Haus anschließende Grundstückshälfte bezogene Nutzung geregelt und klargestellt, dass sich das Verhältnis der Wohnungseigentümer nach dem Gesetz bestimme. Auch sei der Bau eines Swimmingpools weder eine Reparatur noch eine Instandsetzung.

Dahinstehen könne, ob die Beklagten einen Anspruch auf einen gestattenden Beschluss gemäß § 20 Abs. 3 WEG hätten. Selbst wenn ein Gestattungsanspruch unterstellt werde, führe dieser nicht dazu, dass der Klägerin die Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs nach Treu und Glauben verwehrt wäre. Denn nach der Neufassung des Wohnungseigentumsgesetzes bedürfe jede nicht durch Vereinbarung gestattete bauliche Veränderung eines Beschlusses. Dadurch werde sichergestellt, dass die Wohnungseigentümer über alle baulichen Veränderungen informiert würden; der legitimierende Beschluss diene der

Rechtssicherheit und entfalte gegenüber Sondernachfolgern Bindungswirkung.

Dieser Wille des Gesetzgebers dürfe nicht dadurch unterlaufen werden, dass der bauwillige Wohnungseigentümer dem Unterlassungsanspruch seinen Anspruch

auf Gestattung gemäß § 242 BGB entgegenhalten könne, weil der Verstoß gegen Beschlusszwang und Vorbefassungsgebot dann folgenlos bliebe. Ob dies in eindeutig gelagerten Fällen, in denen ganz offensichtlich kein anderer Wohnungseigentümer beeinträchtigt werde, anders sei, könne offenbleiben, denn das Fehlen jedweder Beeinträchtigung sei bei dem Bau eines Swimmingpools gerade nicht offenkundig.

Rechtsanwaltskosten stünden der Klägerin unter dem Gesichtspunkt des Verzugs zu. Die Klägerin habe vor Beauftragung ihres Rechtsanwalts mehrfach

darauf hingewiesen, dass sie dem Poolbau nicht zustimme.

II.

Die Revision hat keinen Erfolg.

1. Zutreffend ist das Berufungsgericht von der im hier gegebenen Übergangsfall fortbestehenden Prozessführungsbefugnis der Klägerin in Anwendung

des Rechtsgedankens des § 48 Abs. 5 WEG ausgegangen (vgl. Senat, Urteil vom 7. Mai 2021 – V ZR 299/19, NJW-RR 2021, 1170 Rn. 5 ff.).

2. Ebenso nimmt das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei an, dass der Klägerin ein Unterlassungsanspruch gemäß § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB i.V.m. § 20

WEG zusteht. Denn es fehlt an einem Beschluss gemäß § 20 Abs. 1 WEG.

a) § 20 Abs. 1 WEG ist anwendbar.

aa) Zwar ist, worauf die Revision zutreffend hinweist, diese durch das Wohnungseigentums-modernisierungsgesetz neu gefasste Vorschrift erst am 1. Dezember 2020 und damit während des laufenden Verfahrens in Kraft getreten. Da es aber bezogen auf das materielle Recht an einer Übergangs-vorschrift fehlt, ist die Neuregelung grundsätzlich auch in bereits laufenden Prozessen anzuwenden (vgl. Senat, Urteil vom 16. Juli 2021 – V ZR 284/19, ZWE 2021, 451 Rn. 15; Bärmann/Göbel, WEG, 15. Aufl., § 48 Rn. 37; Hügel/Elzer, WEG, 3. Aufl., § 48 Rn. 17). Anders kann es bei bereits abgeschlossenen Sachver-halten sein (vgl. Senat, Urteil vom 10. Dezember 2021 – V ZR 32/21, NJW 2022, 2397 Rn. 6; Urteil vom 16. Januar 2009 – V ZR 74/08, NJW 2009, 999 Rn. 12, insoweit nicht abgedruckt in BGHZ 179, 230; Suilmann in Jennißen, WEG, 7. Aufl., § 48 Rn. 24).

bb) Ein abgeschlossener Sachverhalt liegt hier indes nicht vor. Der Bau des Swimmingpools ist infolge der von der Klägerin erwirkten einstweiligen Verfügung gestoppt worden. Folgerichtig begehrt die Klägerin nicht dessen Beseitigung, sondern die Unterlassung des Baus. Dieses auf § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB gestützte Unterlassungsbegehren ist in die Zukunft gerichtet.

b) Gemäß § 20 Abs. 1 WEG können Maßnahmen, die über die ordnungsmäßige Erhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums hinausgehen (bauliche Veränderungen), beschlossen oder einem Wohnungseigentümer durch Beschluss gestattet werden. Fehlt ein entsprechender Beschluss, darf die bauliche Veränderung durch einen einzelnen Wohnungseigentümer nicht vorgenommen werden und stellt eine rechtswidrige Eigentums-beeinträchtigung dar, auf deren Unterlassung ein Anspruch gemäß § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB besteht (vgl. Senat, Urteil vom 20. Juli 2018 – V ZR 56/17, NJW-RR 2018, 1165 Rn. 9), es sei denn, die Wohnungseigentümer hätten das Beschlusserfordernis gemäß § 10 Abs. 1 Satz 2 WEG abbedungen.

aa) Unzweifelhaft handelt es sich bei dem von den Beklagten beabsichtigten Bau eines – wie hier – 5 x 3 x 1,55 Meter großen Pools um eine bauliche Veränderung im Sinne der in § 20 Abs. 1 WEG enthaltenen Legaldefinition, da dies über die ordnungsmäßige Erhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums hinausgeht. Hiergegen erinnert auch die Revision nichts. Damit bedarf es grundsätzlich eines Beschlusses gemäß § 20 Abs. 1 WEG.

bb) Entgegen der Auffassung der Revision haben die Parteien das in § 20 Abs. 1 WEG geregelte Erfordernis einer Gestattung durch Beschluss weder in der – ergänzten – Gemeinschaftsordnung noch konkludent abbedungen.

(1) Die Gemeinschaftsordnung ist Bestandteil der Grundbucheintragung.

Maßgebend sind ihr Wortlaut und Sinn, wie er sich aus unbefangener Sicht als nächstliegende Bedeutung der Eintragung ergibt, weil sie auch die Sonderrechtsnachfolger der Wohnungseigentümer bindet (vgl. Senat, Urteil vom 20. November 2020 – V ZR 196/19, ZWE 2021, 273 Rn. 12; Urteil vom 15. Dezember 2017 – V ZR 275/16, NZM 2018, 909 Rn. 11). Die nach diesem Maßstab durch das Berufungsgericht vorgenommene Auslegung der Gemeinschaftsordnung, die vollen Umfangs der Nachprüfung durch das Revisionsgericht unterliegt, ist nicht zu beanstanden.

(a) Die Gemeinschaftsordnung von 1971 regelt die alleinige Nutzung der an das jeweilige Wohnhaus anschließenden Hälfte des Grundstücks, begründet also (nur) ein Sondernutzungsrecht unter anderem an dem jeweiligen Teil des Gartens; sie enthält insbesondere keine Bestimmung dahingehend, dass die Sondernutzungsflächen wie real geteiltes Eigentum behandelt werden sollen (vgl. zu einer solchen Regelung Senat, Urteil vom 26. Juni 2020 – V ZR 199/19, NJW-RR 2020, 959). Infolgedessen wird der Bau eines Swimmingpools von dem Zuweisungsgehalt des Sondernutzungsrechts nicht umfasst. Aus der bloßen Einräumung eines Sondernutzungsrechts folgt nämlich nicht ohne Weiteres die Berechtigung zu grundlegenden Umgestaltungen der jeweiligen Sondernutzungsfläche, die über die nach dem Inhalt des Sondernutzungsrechts übliche Nutzung hinausgehen und der Anlage ein anderes Gepräge geben. So hat der Senat etwa in der Zuweisung eines Sondernutzungsrechts an einer Terrasse nicht auch die Ermächtigung gesehen, die Terrasse zu überdachen und die Überdachung an einer im Gemeinschaftseigentum stehenden angrenzenden Wand zu befestigen (Urteil vom 7. Februar 2014 – V ZR 25/13, NJW 2014, 1090 Rn. 7; ähnlich Senat, Urteil vom 18. November 2016 – V ZR 49/16, NJW 2017, 2184 Rn. 24; vgl. auch Bärmann/Dötsch, WEG, 15. Aufl., § 20 Rn. 447G). So verhält es sich auch hier.

(b) Soweit die Gemeinschaftsordnung im Übrigen auf das Gesetz verweist, führt dies entgegen der Auffassung der Revision zu keinem anderen Ergebnis. Hierbei kann dahinstehen, ob, wie die Revision meint, der Bau eines Swimmingpools unter den hier gegebenen Umständen im Jahr 1971 zustimmungsfrei gewesen wäre. Denn der in der Gemeinschaftsordnung enthaltenen schlichten Verweisung auf die Gesetzeslage oder der bloßen Wiederholung des Gesetzes lässt sich in Ermangelung anderer Anhaltspunkte nicht entnehmen, dass es auch nach einer Gesetzesänderung bei der Anwendung alten Rechts verbleiben soll. Vielmehr ist dies grundsätzlich – und so auch hier – als dynamische Verweisung auf die jeweils aktuellen gesetzlichen Regelungen zu verstehen; hierfür spricht auch der Gedanke des § 47 WEG (vgl. Bärmann/Göbel, WEG, 15. Aufl., § 47 Rn. 7).

(2) Nichts Anderes folgt aus der späteren ergänzenden Regelung der Gemeinschaftsordnung. Dieser lässt sich allenfalls entnehmen, dass bauliche Veränderungen im Zusammenhang mit Reparaturen oder Instandsetzungsarbeiten an der jeweiligen Sondernutzungsfläche ohne Beschluss möglich wären. Hierzu gehört der erstmalige Bau eines Swimmingpools offensichtlich nicht.

(3) Anhaltspunkte für eine konkludente, von dem vorbezeichneten grundsätzlichen Beschluss-erfordernis bei baulichen Veränderungen abweichende Vereinbarung bestehen nicht. Entgegen der Revision lässt sich dies insbesondere nicht etwaigen von den Beklagten behaupteten baulichen Veränderungen entnehmen, die die Klägerin selbst ohne das Einverständnis der Beklagten beziehungsweise ihrer Rechtsvorgänger vorgenommen haben soll. Denn eventuellen eigenen Rechtsverstößen durch die Klägerin kommt, wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, kein Erklärungswert dahin zu, dass die Klägerin auch künftig und in Bezug auf jegliche bauliche Veränderung durch die Beklagten auf das Erfordernis ihres Einverständnisses verzichten wollte. Hierin liegt kein Verhalten, das zumindest mittelbar (vgl. hierzu Staudinger/Singer, BGB [2021], Vorbem. zu §§ 116-124 Rn. 53) den Schluss auf einen solchen Rechtsfolgewillen ermöglichte.

3. Dem Unterlassungsanspruch der Klägerin können die Beklagten einen eventuellen Anspruch auf Gestattung der baulichen Veränderung gemäß § 20 Abs. 3 WEG nicht nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) entgegenhalten.

a) Gemäß § 20 Abs. 3 WEG kann jeder Wohnungseigentümer verlangen, dass ihm eine bauliche Veränderung gestattet wird, wenn alle Wohnungseigentümer, deren Rechte durch die bauliche Veränderung über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus beeinträchtigt werden, einverstanden sind. Es besteht also ein Anspruch auf einen die geplante bauliche Veränderung gestattenden Beschluss, wenn entweder kein anderer Wohnungseigentümer im Sinne des Gesetzes beeinträchtigt wird oder wenn alle beeinträchtigten Wohnungseigentümer einverstanden sind.

aa) Das Berufungsgericht hat – aus seiner Sicht folgerichtig – keine Feststellungen dazu getroffen, ob die Rechte der Klägerin durch den beabsichtigten Bau des Swimmingpools über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus beeinträchtigt werden. Insbesondere fehlen Feststellungen zu der Grundstücksgröße und den konkreten baulichen Verhältnissen vor Ort. Aus diesem Grund ist für die Revisionsinstanz zu unterstellen, dass die Rechte der Klägerin durch die beabsichtigte bauliche Veränderung über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus nicht beeinträchtigt sind und die Beklagten demnach grundsätzlich einen Anspruch auf Gestattung gemäß § 20 Abs. 3 WEG haben.

bb) Auch diese Gestattung hat aber durch Beschluss der Wohnungseigentümer zu erfolgen.

(1) Vor Inkrafttreten des Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetzes zum 1. Dezember 2020 war umstritten, ob bauliche Veränderungen eines Beschlusses bedurften. Der Senat hat dies zu § 22 WEG aF offengelassen (vgl. zum Streitstand u.a. Senat, Urteil vom 7. Februar 2014 – V ZR 25/13, NJW 2014, 1090 Rn. 9 mwN).

(2) Der Gesetzgeber hat sich in Kenntnis dieses bis zur Neufassung des Wohnungseigentums-gesetzes bestehenden Streits für den in § 20 Abs. 1 WEG normierten sogenannten Beschlusszwang entschieden, um Auslegungsschwierigkeiten zu vermeiden und die vielfältigen Zweifelsfragen im Zusammenhang mit baulichen Veränderungen zu beseitigen (vgl. BT-Drucks. 19/18791 S. 62, 65).

Klargestellt wird, dass jede von einem einzelnen Wohnungseigentümer beabsichtigte bauliche Veränderung des gemeinschaftlichen Eigentums eines legitimierenden Beschlusses bedarf, auch wenn kein Wohnungseigentümer in rechtlich relevanter Weise beeinträchtigt wird. Auf diese Weise wird sichergestellt, dass die Wohnungseigentümer über alle baulichen Veränderungen des Gemeinschaftseigentums informiert werden. Für den bauwilligen Wohnungseigentümer hat der legitimierende Beschluss den Vorteil, dass er – ebenso wie eventuelle Rechtsnachfolger – durch dessen Bestandskraft Rechtssicherheit hat (vgl. BTDrucks. 19/18791 S. 62).

b) Damit ist das Verfahren bei beabsichtigter baulicher Veränderung durch einen einzelnen Wohnungseigentümer vorgezeichnet. Es ist Sache des Wohnungseigentümers, der eine nicht in der Gemeinschaftsordnung gestattete bauliche Veränderung beabsichtigt, einen Gestattungsbeschluss gegebenenfalls im Wege der Beschlussersetzungsklage (§ 44 Abs. 1 Satz 2 WEG) herbeizuführen, ehe mit der Baumaßnahme begonnen wird. Handelt er dem zuwider, haben die übrigen Wohnungseigentümer einen Unterlassungsanspruch, der seit dem 1. Dezember 2020 durch die GdWE ausgeübt wird (§ 9a Abs. 2 WEG). Diesem Unterlassungsanspruch kann der bauwillige Wohnungseigentümer nicht unter Berufung auf Treu und Glauben entgegenhalten, dass ihm ein Gestattungsanspruch zusteht.

aa) Für diese Sichtweise spricht bereits das nunmehr gesetzlich eindeutig geregelte Verfahren. Soweit ersichtlich, wird auch nicht vertreten, dass der diese Vorgaben missachtende bauwillige Wohnungseigentümer dem Unterlassungsanspruch seinen Gestattungsanspruch im Wege des § 242 BGB entgegenhalten könnte.

bb) Darin liegt entgegen der Auffassung der Revision keine bloße Förmelei. Es ist gerade Sache des bauwilligen Wohnungseigentümers, den gesetzlich geforderten Beschluss über die bauliche Veränderung herbeizuführen; dies kann er gegebenenfalls auch ohne Durchführung einer Eigentümer-versammlung im Umlaufverfahren erreichen (§ 23 Abs. 3 Satz 1 WEG). Gelingt ihm dies nicht, muss er Beschlussersetzungsklage erheben. Dass die Beschlussfassung im Einzelfall angesichts der eindeutigen Mehrheitsverhältnisse ausgeschlossen sein mag, ändert daran nichts; dies kann nur dazu führen, dass die Vorbefassung der Eigentümerversammlung entbehrlich ist (vgl. Senat, Urteil vom 5. Juli 2019 – V ZR 149/18, NJW 2020, 42 Rn. 16; Urteil vom 16. September 2022 – V ZR 69/21, NJW 2023, 63 Rn. 6). Demgegenüber sollen die übrigen Wohnungseigentümer nicht in die Rolle gedrängt werden, auf die Erhebung einer Klage durch die GdWE hinwirken zu müssen (so bereits für den Anspruch auf Änderung der Gemeinschaftsordnung Senat, Urteil vom 23. März 2018 – V ZR 307/16, NJW-RR 2018, 1227 Rn. 17). Vorteil dieses nunmehr eindeutig geregelten Verfahrens ist außerdem, dass mit Bestandskraft eines gestattenden Beschlusses (bzw. Rechtskraft eines den Beschluss ersetzenden Urteils) die Zulässigkeit der baulichen Veränderung zwischen den Wohnungseigentümern ebenso wie im Verhältnis zu jeweiligen Rechtsnachfolgern feststeht.

cc) Ob dies auch für eine ohne vorherigen Beschluss bereits fertig gestellte bauliche Veränderung, die nach dem Vorgesagten einen Beseitigungs-anspruch gemäß § 1004 Abs. 1 BGB auslöst, durchgängig gilt, ist hier nicht zu entscheiden (vgl. zum dolo-agit-Einwand gegen Beseitigungsansprüche nach altem Recht Senat, Urteil vom 20. Juli 2018 – V ZR 56/17, NJW-RR 2018, 1165 Rn. 27; Urteil vom 21. Oktober 2011 – V ZR 265/10, NJW-RR 2012, 140 Rn. 6; gegen die Zulassung des dolo-agit-Einwands nach neuem Recht AG Paderborn, ZMR 2022, 1018 Rn. 155; Bärmann/Dötsch, WEG, 15. Aufl., § 20 Rn. 427; BeckOGK/ Kempfle, WEG [15.12.2022], § 20 Rn. 273; MüKoBGB/Rüscher, 9. Aufl., § 20 WEG Rn. 14 f.; dafür aber Hügel/Elzer, WEG, 3. Aufl., § 20 Rn. 182; Hogenschurz in Jennißen, WEG, 7. Aufl., § 20 Rn. 120). Denn die Beklagten haben den Bau gegen den erklärten Willen der Klägerin begonnen und – nicht zuletzt wegen der von der Klägerin erwirkten einstweiligen Verfügung – nicht vollendet.

dd) Ebenso kann dahinstehen, wie in völlig eindeutig gelagerten Fällen, in denen – anders als hier – ganz offensichtlich kein anderer Wohnungs-eigentümer ernsthaft beeinträchtigt ist, zu verfahren ist. Allerdings werden innerhalb des räumlichen Bereichs des Sondereigentums übliche Veränderungen des dort befindlichen gemeinschaftlichen Eigentums – wie etwa das Bohren von Dübellöchern in tragende Wände (vgl. Bärmann/Dötsch, WEG, 15. Aufl., § 20 Rn. 69, 429) – ohne weiteres als gestattet anzusehen sein.

c) Zutreffend verneint das Berufungsgericht auch ein rechtsmissbräuchliches Verhalten der Klägerin mit Blick auf von ihr selbst in der Vergangenheit angeblich ohne Einverständnis vorgenommene bauliche Veränderungen. Zwar können Unterscheidungen zwischen einzelnen Wohnungseigentümern bei der Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen ohne sachlichen Grund eine unzulässige Rechtsausübung (§ 242 BGB) darstellen (vgl. Senat, Urteil vom 30. November 2012 – V ZR 234/11, NJW-RR 2013, 355 Rn. 19). Auch sachfremde Motive mögen im Einzelfall zu berücksichtigen sein (vgl. Hogenschurz in Jennißen, WEG, 7. Aufl., § 20 Rn. 119). Solches ist aber weder festgestellt noch wird es von der Revision aufgezeigt und folgt, wie das Berufungsgericht zutreffend ausführt, nicht allein aus eventuellen eigenen Rechtsverstößen der Klägerin, die jedenfalls keinen Pool in der von ihr genutzten Gartenhälfte gebaut hat.

d) Einer Entscheidung, wie zu verfahren ist, wenn der bauwillige Wohnungseigentümer während des Unterlassungsprozesses eine Beschlussersetzungsklage gegen die GdWE erhebt, bedarf es nicht. Die Beklagten haben eine solche Klage nicht erhoben. Entgegen der Revision war mit Rücksicht auf die richterliche Pflicht zur Neutralität auch kein auf die Erhebung einer solchen Klage gerichteter Hinweis des Berufungsgerichts im Rahmen materieller Prozessleitung gemäß § 139 ZPO geboten (vgl. Senat, Beschluss vom 2. Oktober 2003 – V ZB 22/03, BGHZ 156, 269, 270 f.; Urteil vom 16. Juli 1999 – V ZR 56/98, NJW 1999, 2890, 2892).

4. Die Klägerin hat außerdem einen Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten gemäß § 241 Abs. 2, § 280 BGB. Die Wohnungseigentümer verbindet ein gesetzliches Schuldverhältnis, aus dem auch Nebenpflichten folgen (vgl. Senat, Urteil vom 23. Februar 2018 – V ZR 101/16, NJW 2018, 2550 Rn. 36). Jeder Wohnungseigentümer ist zudem gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 1 WEG verpflichtet, die gesetzlichen Regelungen, Vereinbarungen und Beschlüsse einzuhalten. Danach ist die Missachtung des Beschlusserfordernisses vor Beginn einer baulichen Veränderung pflichtwidrig im Sinne von § 280 Abs. 1 Satz 1, § 241 Abs. 2 BGB. Vortrag, der dem vermuteten Verschulden gemäß § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB entgegenstehen könnte, haben die Beklagten nicht gehalten. Es war auch, unabhängig von der Frage des Beschlusserfordernisses nach altem und nach neuem Recht, zumindest fahrlässig, darauf zu vertrauen, mit einer baulichen Veränderung am Gemeinschaftseigentum auch und gerade gegen den erklärten Willen der Klägerin letztlich folgenlos beginnen zu dürfen; ein solcher Rechtsstandpunkt wäre nicht plausibel (vgl. zu diesem Gesichtspunkt Senat, Urteil vom 10. Juni 2011 – V ZR 233/10, juris Rn. 21 ff., insoweit nicht

abgedruckt in NJW-RR 2011, 1458; Urteil vom 16. Januar 2009 – V ZR 133/08, BGHZ 179, 238, 246).

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

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